Schon bei der Gründung der GAV im Jahre 2004 stand fest, dass unsere Vereinigung nicht nur Erhaltungszuchtprojekte mit Volierenvögeln initiieren wollte (sogenannte Ex-situ-Projekte), sondern auch In-situ-Projekte, also Projektarbeiten von externen Forschern im Freiland unterstützen würde – so, wie dies auch in der Vereinssatzung festgelegt ist.

Relativ schnell wurden erste Ex-situ-Zuchtprojekte angegangen – und nach der Startphase ebenso schnell wieder aufgegeben. Ich erinnere an Arbeitsgruppen, die sich mit südamerikanischen Sittichen, „reinerbigen“ Wellensittichen und ebensolchen Zebrafinken beschäftigten. Lediglich das letztere Projekt hat bis heute Bestand. Aber zunächst der Reihe nach.

Unser erstes nachhaltiges Projekt geht zurück auf das Jahr 2010, als deutlich wurde, dass die Bestände des Chinasittichs (Psittacula derbiana) im Freiland immer mehr zurückgehen. 2010 wurde daraufhin zunächst ein Zuchtprojekt innerhalb der VZE begründet, das ab 2014 dann in die Federführung der GAV überging.

2014 wurde auch innerhalb der EAZA (= Europäische Zoogemeinschaft) ein Monitoring-Programm für den Chinasittich geschaffen, das bis heute unter Leitung von Catrin Hammer vom Tierpark Görlitz steht. Mit diesem Programm sollten zunächst die Chinasittich-Bestände und Nachzuchtzahlen innerhalb der europäischen Zoos erfasst werden. Ziel beider Initiativen war und ist es, dem Rückgang dieser Papageienart in zoologischen Gärten und in Privathand entgegenzuwirken. Und so erschien es zwischenzeitlich dann sinnvoll, beide Programme miteinander zu verbinden.

Bis heute existiert diese Kooperation zwischen der GAV und diesem EAZA-Monitoring-Programm. Dorthin melden unsere beteiligten GAV-Mitglieder jährlich ihre Chinasittich-Nachzuchten und tragen damit zur Erweiterung des Datenpools bei. Die Volierenbestände sind inzwischen stabil und haben sich gegenüber der Situation um die Jahrtausendwende etwa verdreifacht. Allein 61 Zoos in der EU (davon 28 deutsche Tiergärten), einer in Norwegen, einer in der Schweiz und sechs im Vereinigen Königreich halten inzwischen Chinasittiche und züchten sie z. T. auch. Hinzu kommt eine beträchtliche Anzahl von Zuchtpaaren in Privathaltungen, unter anderem diejenigen innerhalb der GAV.

Als Simon Bruslund, damals Kurator im Zoo Heidelberg und gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied des Indonesian Species Conservation Programm (ISCP), 2015 auf einer Tagung im Vogelpark Viernheim den Nias-Beo als höchstbedrohte Vogelart vorstellte, war es für unseren früheren Präsidenten Manfred Kästner keine Frage, das Projekt auch finanziell zu unterstützen. Er spendete daraufhin über mehrere Jahre jeweils 850 € (=damaliger Verkaufspreis eines nachgezüchteten Bergbeos) an die GAV, die diesen Betrag dann an das Nias-Beo-Projekt weiterleitete und damit als GAV-Projekt führte.

Als unser bis heute wichtigstes Erhaltungszuchtprojekt wurde 2015 das Schwalbensittichprojekt ins Leben gerufen, als deutlich wurde, dass die Art im Freiland massiv zurückgeht und demzufolge von der IUCN als „critically endangered“ (vom Aussterben bedroht) eingestuft werden musste.

2017 fand das erste Meeting der interessierten Privatleute und institutionellen Mitglieder statt, die bereits Schwalbensittiche hielten oder bereit waren, an einem künftigen Zuchtprogramm mitzuwirken und Vögel aufzunehmen. Beim nächsten Meeting 2018 wurde festgelegt, dass künftig alle von GAV-Mitgliedern gehaltenen Schwalbensittiche im Projekt in den Besitz der GAV übergehen und lediglich an die Halter als Zuchtleihgabe abgegeben werden sollten. Die Zuchtprojekt-Teilnehmer erklärten sich bereit, einen Teil ihrer Nachzuchten bei Bedarf wiederum kostenfrei in das Projekt einzubringen.

Ab 2019 änderte sich die Situation insofern, als nun das Schwalbensittichprojekt in ein EEP der EAZA überführt wurde, dessen Zuchtbuchführung seither in den Händen von Sabrina Höft vom Zoo Schwerin liegt. Bei dem 2019er Meeting wurde auch der erste Entwurf der Best Practice Guidelines vorgelegt. Der GAV-Bestand wird seither als eine Einheit (gewissermaßen wie ein Zoobestand) geführt.

Ende 2023 waren die GAV-Vögel bei sieben Haltern eingestellt, die insgesamt 54 Schwalbensittiche hielten. 15 Jungvögel aus dem Jahr 2023 wurden auf Empfehlung der Zuchtbuchführererin an europäische Zoos vermittelt, die an dem Zuchtprogramm teilnehmen. Damit nimmt der GAV-Bestand an Schwalbensittichen also eine wichtige Rolle innerhalb des Erhaltungszuchtprojektes ein, das formal ein Kooperationsprojekt zwischen der EAZA Parrot TAG und der GAV ist.

2017 erhielt die GAV eine Gruppe von Australzebraamadinen aus dem Bestand des Max-Planck-Instituts in Seewiesen. Dabei handelte es sich um F4- und F5- Nachzuchtvögel der für wissenschaftliche Zwecke nach Deutschland importierten Ausgangstiere (= Wildfänge).

Man konnte also davon ausgehen, dass diese Vögel in der 4. bzw. 5. Generation in Menschenobhut noch alle Merkmale der Wildvögel trugen, was von den GAV-Verantwortlichen zwar als besonderer Glücksfall, aber auch als besondere Verantwortung gesehen wurde. Die Koordination des weiteren Zuchtprojektes lag und liegt in der Händen der Prachtfinkengruppe der GAV unter Leitung von Peter Kaufmann.

Innerhalb der GAV beteiligten sich von Beginn an mehrere Züchter an diesem Projekt, erzielten auch eine Reihe von Nachzuchten, allerdings erwies sich die Zucht bei weitem nicht als so produktiv, wie bei den domestizieren Vögeln. Hinzu kam, dass sich der Absatz der Jungvögel zeitweise schwierig gestaltete. Es besteht zwar nach wie vor noch ein hinreichender Zuchtbestand, aber weitere Züchter zur Verbreiterung der Zuchtbasis wären gern gesehen. Nachzulesen ist  die gesamte Projektgeschichte z. B.  im GAV-Journal 13, 14 (2018) und zuletzt 26 (2023).

Unter den Freilandprojekten, die die GAV finanziell unterstützt hat, ist zunächst das Waldrapp-Projekt hervorzuheben, das 2018 mit zunächst 500 € und 2022 mit weiteren 2500 € unterstützt wurde.

Der Waldrapp, ein Ibis, gilt als einer der höchstbedrohten Vogelarten Europas, dessen ursprüngliche freilebende Populationen (z. B. in Nordafrika und der Türkei) immer mehr schwinden und inzwischen fast gegen Null gehen.

Durch die Initiative von Dr. Johannes Fritz und seinem Waldrapp-Team ist es gelungen, ungewöhnliche Wege zum Schutz dieser Vögel zu gehen. Man zieht zunächst Waldrapp-Junge in Menschenobhut auf, prägt sie damit auf ihre Pfleger (meist sind dies junge Biologiestudentinnen, die dann zeitweise Tag und Nacht mit den Vögeln zusammenleben) und zeigt ihnen als Zugvögel dann mit Hilfe von Ultraleicht-Fluggeräten erstmalig den Weg in ihre künftigen Winterquartiere, den ihre Vorfahren jeweils von ihren Eltern gelernt haben.

Auf diese Weise konnten inzwischen mehrere Gruppen an neue Überwinterungsorte in der Toskana (Italien) und nach Andalusien (Spanien) geleitet werden. Die Vögel prägen sich dabei die Flugroute ein und können später selbstständig dorthin- und zurückfliegen. Alle auf diese Weise ausgewilderten Vögel sind mit kleinen GPS-Sendern ausgestattet, so dass man deren Bewegungen ständig überwachen kann.

Ein Schutzprojekt für Reisamadinen auf Java war zunächst ein eher unerwartetes Projekt für die GAV, für das finanzielle Unterstützung von Simon Bruslund für die Silent Forest Kampagne beantragt wurde. Unerwartet deshalb, weil Reisamadinen ja hierzulande zu tausenden (wenn auch in verschiedenen Farbmutationen und meist als standardisierte Zucht-und Ausstellungsvögel) unsere Volieren bevölkern, derweil die Wildform im Freiland bis auf knappe 1000 Vögel zurückgegangen sein soll. Die auf Java ständig anwachsende Bevölkerung und der dadurch bedingte Schwund der ursprünglichen Lebensräume sowie die Nahrungskonkurrenz, weshalb die samenfressende Reisamadine in den Anbaugebieten von den einheimischen Bauern verfolgt wird, sind Gründe für den Rückgang der Art. Ein weiterer Grund ist der Fang und Verkauf der Vögel auf den lokalen Märkten für die Heimvogelhaltung, die in Indonesien sehr ausgeprägt ist. Zusammen mit der Wilhelma in Stuttgart und dem Zoo Basel hat sich die GAV an diesem Schutzprojekt, das eine Initiative der EAZA Silent Forest Group ist, beteiligt und dafür im Jahr 2022 3000 € bereit gestellt.

Sascha Düker, Koordinator des World Parrot Trust (WPT) für den Schutz der Unzertrennlichen, koordiniert seit 2021 ein Forschungsprojekt über den Erhaltungszustand und die Bedrohungen der Unzertrennlichen in Afrika, um wichtige Wissenslücken und Forschungsprioritäten zu ermitteln. Die Studie brachte über 30 Naturschützer, Forscher und Experten aus dem ganzen Kontinent zusammen und fasste die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur, aus Berichten und Expertenmeinungen zusammen. Dabei wurde hervorgehoben, dass sich die Forschung bisher weitgehend auf Unzertrennliche im südlichen Afrika und in Zentralafrika konzentriert hat, während andere Arten im Freiland nur unzureichend erforscht sind, darunter so bekannte Unzertrennliche wie das Schwarzköpfchen. Für einige Arten, wie z. B. das Grünköpfchen, gibt es nicht einmal grundlegende Informationen, wie z. B. georeferenzierte Aufzeichnungen über das Vorkommen in einem Großteil ihres mutmaßlichen Verbreitungsgebiets. Zu den wichtigsten Bedrohungen der Unzertrennlichen gehören der Verlust von Lebensraum, Veränderungen in der Verfügbarkeit von Oberflächenwasser, Vergiftungen von Wassersatellen und die Gefahr der Übertragung von Krankheiten durch den Handel. Zu den vorrangigen Forschungsbereichen gehörte die Populationsgenetik wildlebender Populationen, insbesondere bei den Arten der Personatus-Gruppe („Augenring-Arten“). Die Studien zielen darauf ab, Wissenslücken in der Taxonomie der Unzertrennlichen zu schließen, die Folgen der Lebensraumfragmentierung zu verstehen und das Ausmaß und die Auswirkungen der Hybridisierung zwischen Arten zu bestimmen, die durch menschliche Eingriffe in Kontakt gebracht wurden. Letzteres auch vor dem Hintergrund, dass es in Menschenobhut – zumindest in Deutschland – kaum noch artenreine Bestände von Erdbeer-, Ruß-, Pfirsich- und Schwarzköpfchen  gibt, mit denen im Sinne einer arterhaltenden Vogelzucht, wie sie sich die GAV auf die Fahnen geschrieben hat, der Aufbau  artenreiner Reservepopulationen möglich wäre. Die GAV hat dieses Projekt 2022 mit 3000 € gefördert.

2023 wurde ein neues vereinsübergreifendes Projekt aus der Taufe gehoben, das den Titel „Starenwelten“ trägt. Der gesamte Kenntnisstand über die Haltung von Staren und Starenverwandten ist bislang unzureichend, die Zucht verläuft bei den meisten Arten unbefriedigend und auch die Literatur ist – gemessen an den Veröffentlichungen über manche anderen Vogelgruppen – eher dürftig. Die Ziele  des Starenprojektes sind daher die Aufarbeitung von Kenntnislücken und möglichst die ausführliche Dokumentation von Nachzuchten aller gehaltenen Arten in Wort und Bild – insbesondere auch die der seltener gehaltenen Arten. Mittelfristiges Ziel ist die Herausgabe einer umfassenden Staren-Monographie mit entsprechenden Haltungs-Guidelines in Zusammenarbeit mit mehreren Co-Autoren. Das Projekt versteht sich ausdrücklich als vereinsübergreifendes Projekt, an dem sich neben der GAV z. B.  auch KollegInnen aus der AG Weichfresser, der Gesellschaft für Tropenornithologie, der Exotis sowie MitarbeiterInnen aus Zoologischen Gärten und Vogelparks beteiligen. Zwischenergebnisse dieser formlosen Projektgruppe werden in Abständen in den jeweiligen Vereinszeitschriften, Newslettern oder auf den Homepages publiziert. Die GAV wird die geplante Starenmonografie federführend herausgeben und den Druck mit etwa 1000 €  vorfinanzieren.

Im Jahr 2023 hat die GAV ein Monitoring- und Schutzprojekt für den Schwarzkopftragopan und andere Fasanenarten im Kaghan-Tal in Pakistan finanziell unterstützt. Antragsteller und Projektleiter war Dr. Mohammad Awan, promovierter Hühnervogelexperte mit über 20jähriger Erfahrung in der Freilandforschung. Mit Hilfe unserer Gesellschaft und anderer Geldgeber wurde ein langfristiges Überwachungs- und Erhaltungsprogramm für den Schwarzkopftragopan und andere Fasanenarten gestartet, um diese Arten, die z. Teil als gefährdet gelten, langfristig besser schützen zu können. Um die Ziele zu erreichen, sollen zum einen die Populationen der Fasanen in ausgewählten Gebieten langfristig überwacht werden. Im Fokus steht dabei der Schwarzkopftragopan (VU = gefährdet), aber auch Wallichfasan, Koklasfasan, Kalifasan und der imposante Rostschwanz-Glanzfasan sind in dem Gebiet heimisch und werden in das Forschungsprojekt einbezogen. Und zum anderen geht es um die Schulung der Projektmitarbeiter in Fragen des Artenschutzes. Mit Hilfe der erhobenen Datengrundlage sollen auch weitere potentiell geeignete Lebensräume und Bruthabitate gefunden und überwacht werden. Die GAV hat diese Studie zunächst mit 2350 €, und dann eine Fortsetzung in 2024 mit weiteren 1000 € unterstützt.

Noch in der Auswertungsphase befindet sich das neue Gouldamadinen-Projekt, das Frau Prof. Claudia Mettke-Hofmann in Nordaustralien durchgeführt hat (vgl. auch GAV-Journal 19: 16-21). Dabei handelt sich um Grundlagenforschung zum Selektionsdruck, dem rotköpfige und schwarzköpfige Gouldamadinen in Freiland ausgesetzt sind. Die Hauptidee war, dass die Vögel mit den beiden Kopffarben einem unterschiedlichem Feinddruck ausgesetzt sind. Da die rotköpfigen Gouldamadinen zum Beispiel auffälliger als die schwarzköpfigen sind, könnten Erstere daher also aufmerksamer sein, um Angriffe von Feinden früh genug zu erkennen.  Aufmerksamkeit wurde anhand der Kopfbewegungen von in Bäumen sitzenden Gouldamadinen gemessen, zusammen mit der Zeit, die sie dafür brauchten. Zusätzlich wurden die Anzahl der Vögel notiert, sowie deren Kopffarben und ob sie in offenen Bäumen oder in Bäumen mit viel Blattwerk landeten, so dass verschiedene Faktoren berücksichtigt werden konnten. – Die Ergebnisse werden demnächst im GAV-Journal beschrieben. Die Fördersumme betrug 1000 €.

Die GAV wird auch weiterhin Zucht-, Forschungs- und Freilandprojekte an Vögeln unterstützen, wenngleich unsere Mittel dafür recht begrenzt sind. Förderanträge sind möglichst jeweils zum Jahresanfang über unseren Artenschutzkoordinator Maximilian Birkendorf (birkendorf@zooneuwied.de) an das GAV-Präsidium zu richten.

Werner Lantermann